Köln – Die Kundgebung „Land schafft Verbindung – wir rufen zu Tisch“ ist vorhin zu Ende gegangen. Und ich habe Ostfriesische Landwirte auf dem Münsterplatz getroffen. Sie sind wirklich angekommen. Die Trecker und die Ostfriesen haben den weiten Weg geschafft.
Eine tolle Leistung. Eine gute Idee und eine friedliche Kundgebung, die wenn man den deutschen Landwirten aufmerksam zuhört Sinn macht. „Die deutsche Landwirtschaft wird von der Politik verkannt und von den Medien an den Pranger gestellt“ so ein Sprecher auf der Kundgebung.
Wohl wahr. Ein aktuell typisch deutsches Verhalten. 100 Km/h auf der Autobahn. Einer fährt 150 km/h und sofort schreien alle: Die deutschen Autofahrer!
Ein Landwirt und Tierzüchter verletzt das Tierschutzgesetz und schon schreien alle: „Schau mal die Bauern! Ist ja ekelhaft wie die mit Tieren umgehen.“ Die Landwirte haben allen Grund zu fordern: „Wir müssen uns an einen Tisch setzen und reden. Die Zukunft unserer Familien, unser Einkommen und der Bestand der Höfe ist in Gefahr, wenn das so weiter geht, Frau Klöckner.“
„Land schafft Verbindung – wir rufen zu Tisch“ die Landwirte riefen, aber kam denn auch die Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner?
Nein die kam eben nicht. Die Chefin nahm das Gesprächsangebot der Landwirte nicht an. Sie ging dem gemeinsamen Tischgespräch aus dem Weg. Mag es Terminnot oder mangelnde Einsicht sein, den einen oder anderen Bauern macht das wütend. Es kamen viele Landwirte/innen zu Wort. Und es gab einen Tenor. Die deutsche Landwirtschaft hat die beste Ausbildung und das beste Know How in Europa. Landwirtschaft wird hier auf höchstem Niveau betrieben.
Die Veränderung und die Verabschiedung der neuen Gesetze im Rahmen des Klimaschutz und der Erhaltung der Artenvielfalten und das Tierwohl Label der Bundesregierung , bringt die Landwirte, durch massive Auflagen an die Existenzgrenze. Für die Nahrungsproduktionsbetriebe in Deutschland ist das Fass bereits voll.
Das Landwirtschaftsministerium war vertreten und kam auch zu Wort. Ein Sprecher des Ministeriums signalisierte sogar Verständnis für den Protest. Ein Teil der Ansprache fiel den Buh Rufen zum Opfer.
Nun bin ich ja kein Landwirt und ich war gespannt wie die Experten der Ackerrille miteinander umgehen.
Da stand ich nun zwischen ostfriesische Landwirten, neben Bauern aus der Pfalz, oder denen aus Neuwied, oder Bergheim. Und bekam von Minute zu Minute mehr Respekt.
Sie haben ihre Arbeit liegen lassen um zu dieser Kundgebung zu kommen, ohne zu wissen ob es ihnen etwas bringt. Die Trecker haben den weiten Weg von Ostfriesland und anderen Orten geschafft und sie müssen auch noch wieder nach Hause.
Ich bin mir sicher, es ist ein Tag der in die Geschichte eingehen wird. „Ich weiß nicht ob ich etwas verändern kann“, sagte ein Bauer aus Neuwied und fuhr fort,“ aber ich kann meinen Kindern sagen, ich wahr hier, ich habe versucht das schlimmste und unseren Untergang zu verhindern. Und ich bin es leid ständig von den ganzen Ökobewegungen angefeindet zu werden, als sei ich der Einzige, der etwas falsch macht.“
Wahrlich sehr traurig so etwas zu hören und das gilt für jeden der dort Anwesenden Landwirte. Sie kämpfen mit ihren Familien gegen Multinationale Food Unternehmen. Sie kämpfen gegen Fleisch, Früchte und Lebensmitteln aus Fernost Ländern, gegen Äpfel aus New Zealand, Kartoffeln aus Cypern und Marokko. Kämpfen gegen Supermarktketten und deren Preisdumping. Kämpfen gegen vermeintliche BIO Bauern Produkte aus Südamerika, die unsere Märkte überschwemmen und unkontrolliert und pestizid belastet sind. Die deutsche Landwirtschaft hat Auflagen, die eine Produktion in Deutschland fast Konkurrenz unfähig macht.
Ich kaufe mein Bier bei Netto
Diese Aktion wurde in jedem Fall eindeutig von der bundesdeutschen Bevölkerung wahrgenommen, denn viele Menschen konnten die Trecker Konvois , die sich aus allen Himmelsrichtungen Deutschlands nach Bonn, dem Sitz des Deutschen Landwirtschaftsministeriums, wahrlich nicht übersehen.
So auch zwei Ökogestalten in der Bonner City unterwegs mit der Bierflasche an den Traktoren vorbeigehend:“Scheiß Bauern! Ihr blockiert hier alles.“ Ein Landwirt ruft zurück:“Halt du nur schön deine Bierflasche fest.“
Der Typ dreht sich um und brüllt: „Bei dir kauf ich mein Bier bestimmt nicht.Arschloch. Ich kaufe mein Bier bei Netto.“
Herrje! Das genau ist dieses Deutschland von heute. Der Typ hat vergessen, oder weiß eben nicht, das Bier aus Hopfen entsteht. Der wird Deutschland gepflanzt und geerntet. Bei dessen Anbau wird kein Glyphosat eingesetzt. Es gibt Landwirte die keine Kühe haben!
Rund um Bonn beherrschten die Schlepper das Straßenleben. Die Innenstadt war komplett besetzt. Da ging gar nichts mehr.
Mit den Schlepper Reifen zerstören die jeden Boden
Einige Bonner nahmen das Chaos freudig auf. „Endlich mal wieder was los. Wie zu den Zeiten als Bonn Hauptstadt war.“ Ein älterer Öko Freak, also einer aus der einstmals, „wir stricken uns ein Laibchen“, Generation der Grünen im Bundestag der 70er Jahre, gab den ökologischen Vorurteilen gegenüber den Bauern freien Lauf.
Neben einem Schlepper Reifen stehend, der seine Körpergröße um eine Armlänge überragte, tönte er laut:“ Und mit diesen Reifen zerstören die jeden Boden. Wenn die auf den Acker fahren, machen die bis auf vierzig Zentimeter alles tot. Der Boden ist tot. Da wächst nichts mehr. Das ist doch Wahnsinn. Guck dir diese Monster an. “
Ich kann mich kaum Bremsen über so viel Ahnungslosigkeit. „Und Sie wollen nach Ostfriesland fahren und 60 Hektar wieder mit Hacke und Schaufel bewirtschaften, das Unkraut von Hand zupfen und kompostieren?“ frage ich ihn. Er dreht sich zu mir und pflaumt mich an:“So viel Fläche braucht doch keiner.“
Und ich:“ Aber sie wollen das Ding mit Hacke und Schippe rocken,ja?“ Er wendet sich ab und schlenkert wegwerfend sein dürres Ärmchen. Was für ein Spinner möchte ich ihm nach rufen, doch Erziehung und Verstand siegen.
Bei uns kommt der Strom aus der Dose, die Kartoffel aus dem Keller und die Milch vom Lidl. Puuuh! Schon ziemlich krank. Keine Akzeptanz. Kein Verständnis. Alle Parteien der Diskussion scheinen überfordert. Schlimm.
Ich hoffe wir kommen an einen Punkt wo tatsächlich Gespräche mit Landwirten ernsthaft geführt werden. Wo nicht RTL bestimmt wie ein deutscher Landwirt ist. Ein Format für blöde Masse am TV, wo mit „Bauer sucht Frau“ ein Bild geliefert wird, das mit moderner deutscher Landwirtschaft, nicht die Spur zu tun hat.
Ich wünsche mir, das die Bauern aus meinem Dorf von Medien besucht und gefragt werden, wie sie mit ihren hundert Kühen täglich umgehen. Ob sie um das Überleben kämpfen. Das sie berichten, das den Tieren kein Haar gekrümmt wird. Ich hoffe das „Land schafft Verbindung“ bleibt. Ich hoffe das die Landwirte den Einstieg in einen vernünftigen Dialog, der aufklärt und Verständnis schafft bitte weiter führen.
Als ich nach der Kundgebung nach Hause fuhr, waren noch rund 100 Trecker zwischen Köln und Bonn unterwegs. Ein Konvoi aus Borken hatte offenbar Verspätung.
In Hersel kamen sich kilometerlange Schlangen von Treckern entgegen. Und selbst am Kölner Rheinufer kam es auf der B8 zu erheblichen Staus.
Hier der Link zum Video zu diesem Foto:
https://www.pscp.tv/Colozine/1ynKOwdXMNyKR
Ich fand das am Ende echt Klasse und hoffe es war nur der Anfang einer guten Bewegung. #Thursdaysforfarmers das sind die Jungen Bauern die nun neben den Klimaschützern #fridaysforfutur auf der Straße stehen. Wohlan es gibt Bewegung und den Willen zu neuen Gesprächen zwischen Bürgern und Politik. Das ist eine Chance für uns Alle.
Kurz vor #Bonn gerade #Landwirte #thursdaysforfarmerhttps://t.co/QeWd6EWWeq
— Jazzie (@Colozine) 22. Oktober 2019
Aus sicherer Quelle habe ich erfahren das die Proteste weiter gehen. Top aktuelle Informationen gibt es bei Land schafft Verbindung bei Facebook und in diesem Artikel „Ostfriesen auf dem Weg nach Bonn“ und dort findet ihr auch die Homepage von „Land schafft Verbindung“ und die Ziele der Bewegung.